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EINE REISE NACH TIMBUKTU




Timbuktu – welch eine Faszination geht von diesem Namen aus. Und wir haben das große Glück, das legendäre Timbuktu kennenzulernen. Wir, d.h. eine kleine Gruppe unter sachkundiger Führung von Klaus Schneider. Anlass unserer Mali-Reise im Januar diesen Jahres waren der Aufenthalt von Heinrich Barth vor 150 Jahren in Timbuktu und das Musik-Festival “Festival au Désert” in Essakane.

Essakane, 70 km westlich von Timbuktu in der Wüste gelegen, das bedeutet drei Stunden Fahrt über eine Sandpiste. In dieser Gegend fanden im Januar schon immer traditionell Zusammenkünfte und Feste der Tuareg statt. Das Musik-Festival gibt es seit 1991. Der erste Eindruck von dem Festivalort war für mich überwältigend: eine weiße Sanddünenlandschaft, Hunderte von Tuareg in Festtagskleidung, mit großen Schwertern, lagerten mit ihren prachtvoll geschmückten Kamelen im Sand, dazu ein riesiges Zeltlager. Es war für mich wie ein Eintauchen in eine andere Welt.

Aus dem ursprünglichen Festival mit Tuareg-Musik hat sich inzwischen ein anspruchsvolles internationales Musik-Festival entwickelt mit Schwerpunkt auf afrikanischer Musik. Bis spät in die Nacht wurde Musik gemacht. Rund 30 Gruppen und Künstler traten auf, überwiegend aus Mali – darunter viele Tuareg-Gruppen –, aus Mauretanien, Senegal, Marokko, Algerien, dem Niger. Höhepunkte waren die Auftritte der international bekannten Musiker Ali Farka Touré und Omour Sangaré aus Mali, die auch hierzulande ihre Anhänger haben. Man muss es sich vorstellen: mitten in der Wüste zwei Bühnen im Sand, auf den sanften Dünenhängen lagerten die Festivalbesucher.

Die Stimmung war prächtig. Die sonst eher ruhigen, zurückhaltenden Tuareg zeigten Emotionen. Bei dem Song “Talking Timbuktu” kochte das Publikum. Viele internationale Sponsoren, darunter auch das Auswärtige Amt und die EU, unterstützten das Festival in diesem Jahr. VW war mit einigen Tuareg-Geländewagen vertreten.

Essakane – dieser Punkt in der Wüste – steht für afrikanische Musik. Mich haben aber auch die interessanten Begegnungen mit Menschen unterschiedlichster Kulturbereiche am Rande des Festivals begeistert. Bei einer kleinen Pressekonferenz hatten wir Gelegenheit, die Heinrich-Barth-Gesellschaft und auch die Heinrich-Barth-Stiftung vorzustellen. Mir fiel der Abschied von Essakane nicht leicht, aber ich war auch in freudiger Erwartung, endlich das legendäre Timbuktu kennenzulernen.

Timbuktu war ursprünglich der Handelsstützpunkt der Tuareg-Kamelkarawanen auf dem Transsahara-Handelsweg. Im 14./15. Jh. war die Stadt ein Zentrum des Islams mit bedeutenden Gelehrten und Weisen und einer Universität mit 20.000 Studenten. Die Moscheen (Weltkulturerbe der UNESCO), aus dem 12. und 13. Jh. zählen zu den ältesten in Westafrika. Als Ende des 16. Jh. Timbuktu von Marokko erobert wurde, begann der Niedergang der Stadt.

Heute ist Timbuktu auf den ersten Blick ein eher bescheidener Wüstenort mit rund 20.000 Einwohnern. Monsieur Salem, ein Lehrer, führte uns durch seine Heimatstadt, und er verstand es, uns die legendäre Vergangenheit von Timbuktu zu vermitteln. Wir besichtigten die Große Moschee, einen imposanten Lehmbau von 100 m Länge. Der relativ dunkle, riesige Gebetssaal mit Hunderten von Pfeilern beeindruckt durch seine schlichte Ursprünglichkeit. Von der Dachterrasse bietet sich ein großartiger Blick über die Stadt bis zur Wüste.

Timbuktu ist in traditioneller Lehmbauweise errichtet. Immer wieder entdeckten wir kunstvolle Lehmbauten, alte Holztüren, die mit Schmiedearbeiten verziert sind. Es gab interessante Querverbindungen zu fernen Ländern. So waren Baumeister aus Granada an der Großen Moschee beteiligt, und die Holztüren zeigen jemenitischen Einfluss.

Wir gingen an den Wohnhäusem der europäischen Entdeckungsreisenden René Auguste Caillié und Alexander Gordon Laing vorbei, die Timbuktu vor Heinrich Barth besuchten. Durch die Rue Heinrich Barth gelangten wir zu dem gut erhaltenen Haus, in dem Heinrich Barth 1853/54 acht Monate verbrachte. Hier befindet sich heute ein interessantes kleines Museum, in Privatbesitz der Familie Haidara.

Ein weiterer Höhepunkt unserer Stadtbegehung war der Besuch der berühmten Bibliotheken, in denen mehr als 15.000 Handschriften, Bücher, Korantexte und Briefe lagern, vielfach Jahrhunderte alt. Die Sammlung Mahmud Kati mit 3000 Manuskripten gelangte über viele Stationen aus dem damals islamischen Toledo (11. Jh.) nach Timbuktu. Wir konnten sogar alte Texte bewundern, die auf Häuten ungeborener Lämmer geschrieben sind.

Im Winter kommen immer noch Salzkarawanen nach Timbuktu. Wir haben die Karawanen in Timbuktu nicht gesehen, aber unterwegs in Nordmali viele Eselskarawanen, beladen mit Salzplatten. Dieses Salz stammt aus dem 750 km entfernten Taoudenni (Südsahara), wird mit Kamelen nach Timbuktu und von dort mit Pinassen auf dem Niger oder per Esel in den Süden transportiert.

Die Vielfalt der Kulturen und Völker, die schon Heinrich Barth beeindruckt haben, finden wir auch heute noch in der Bevölkerung von Timbuktu wieder. Überall begegnete man uns sehr freundlich, und jeder kennt natürlich Heinrich Barth.

Timbuktu, am Rande der Wüste, birgt viele Erinnerungen an goldene Zeiten. Jeder von uns hat den Mythos dieser Stadt auf seine Weise erspürt. Monsieur Salem zitiert ein altes sudanesisches Sprichwort:

“Salz kommt aus dem Norden, Gold aus dem Süden und Silber aus dem Land des weißen Mannes, aber das Wort Gottes und die Schätze der Weisheit sind nur in Timbuktu zu finden.”